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Philipp Trommler

Software Engineer mit einer Vorliebe für Low-Level-Linux- und Embedded-Programmierung, zumeist in C und C++. 🤷‍♂️

Thema: Bericht

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Bericht von der FOSDEM 2020

Auch dieses Jahr hat die FOSDEM wieder Anfang Februar ihre Pforten geöffnet. Selbstverständlich war ich vor Ort und habe mich über die neuesten Entwicklungen im Open-Source-Bereich informiert. Einige interessante Vorträge will ich euch im Folgenden kurz vorstellen.

Wie immer war das Angebot an Keynotes, Vorträgen (sowohl bei den Main-Tracks als auch im Rahmen der Developer-Rooms), Lightning-Talks und BoFs auch auf der diesjährigen FOSDEM erschlagend. Wie beim Abschlussevent schön auf den Punkt gebracht worden ist: Um nur das Programm dieser FOSDEM vollständig zu konsumieren, bräuchte man mehrere Wochen, für das Programm aller FOSDEMs bisher bräuchte man bis in den Spätsommer hinein – wohlgemerkt unter Aufbringung einer 40-Stunden-Woche.

Dementsprechend wählt sich jeder Besucher sein eigenes kleines Fenster, sucht sich Vorträge zu Themen aus, die ihn besonders interessieren, oder hört einfach Vortragenden zu, die ihm besonders sympathisch sind. Und nicht zuletzt versucht man in der Regel, die Anzahl der Raumwechsel dabei zu minimieren, da Sitzplätze zumeist Mangelware sind; selbst der Zutritt zum Vortragsraum ist in keinster Weise selbstverständlich. Das folgende ist ein Einblick in die spannendsten Themen, die es in mein Fenster zur diesjährigen FOSDEM geschafft haben.

Ada

Die wohl wichtigste Neuerung im Bereich von Ada ist, dass die Sprache jetzt ihren eigenen Paketmanager namens Alire hat. Noch ist das Angebot an Paketen zwar recht gering, doch da Alire auf die in der Regel bereits vorhandenen GPRbuild Projektdateien aufsetzt und so der Aufwand beim Hinzufügen gering ist, sollte sich das schon bald ändern. Meine persönliche Meinung zu Paketmanagern ist gespalten: Auf der einen Seite helfen sie beim schnellen Prototyping und erhöhen die Sichtbarkeit von verfügbaren Bibliotheken, auf der anderen Seite erzwingen sie ein bestimmtes Modell der Bereitstellung von Software und bereiten in der Regel Probleme bei der Erstellung ganzer Betriebssysteme. Ich erwarte aber, dass Alire hier eher auf der positiven Seite steht, da es – wie bereits erwähnt – nur einen dünnen Layer über GPRbuild darstellt. Hier geht es zum zugehörigen Vortrag.

Wer häufiger mal EU-Gelder beantragen muss, sollte außerdem mal einen Blick auf Riccardo Bernardinis EUgen werfen. Der in Ada geschriebene Generator für Fördergeldanträge erstellt aus Plain-Text-Dateien PDFs mit allen notwendigen Informationen und berechnet dabei selbstständig zeitliche Abfolgen und Abhängigkeiten verschiedener Tasks, Milestones, usw. Derzeit ist das Ausgabeformat noch festgelegt auf LaTeX, eine Template-Engine ist aber in Arbeit.

Martin Stein von den ebenfalls in Dresden ansässigen Genode Labs hat seine Arbeit an Spunky vorgestellt. Dabei handelt es sich um einen in Ada geschriebenen (Teil-)Kernel, der im Genode OS Framework genutzt werden kann. Teilkernel deshalb, weil derzeit noch große Teile des bereits vorhandenen und in C/C++ geschriebenen „base-hw“-Kernels aus gleichem Hause genutzt werden, die er Stück für Stück durch Ada-Code ersetzt. Bei diesem schrittweisen Vorgehen ist er nach eigenen Angaben auf keine größeren Schwierigkeiten gestoßen, was zum einen auf eine gute Architektur von „base-hw“ hinweist, zum anderen aber auch die gute Interoperabilität zwischen Ada und C deutlich macht. Nach vollständiger Ersetzung allen Codes in „base-hw“ soll dann Ada durch Ada/Spark ersetzt werden, um eine Verifizierbarkeit des Kernels zu ermöglichen. Anschließend sollen außerdem weitere Teile des Genode OS Frameworks in Ada neu implementiert werden, wodurch eine sehr sichere Betriebssystemgrundlage verfügbar werden würde. Auf jeden Fall spannend!

Debugging

Matthew Malcomson hat eine wirklich interessante Erweiterung für GDB vorgestellt: Pipelines. Mit diesen ist es möglich, über Daten zu iterieren und auf jedem Element bestimmte Aktionen auszuführen. Dabei sind die sogenannten „Walker“, die bestimmen, wie über die Daten iteriert werden soll, nicht festgelegt, sondern können durch die Nutzer erweitert werden; selbiges gilt für die zur Verfügung stehenden Aktionen. Geschrieben werden diese Erweiterungen in Python. Das Ziel ist es, dass sich entweder Entwickler die Erweiterungen für die Programme schreiben, an denen sie arbeiten, oder größere Projekte gleich passende Walker und Aktionen mitbringen. Wem das ganze zu abstrakt und komplex klingt, dem kann ich nur wärmstens den Vortrag ans Herz legen.

Neuigkeiten gibt es auch beim etwas angestaubten TUI des GDB. Der in die Jahre gekommene Quellcode wird derzeit unter anderem von Tom Tromey generalüberholt und modernisiert. Erste Erfolgsmeldungen stellen sich dabei ein: So ist es nun möglich, eigene Layouts zu definieren, das TUI einzufärben sowie Syntaxhighlighting zu aktivieren. Außerdem können in Python eigene „Fenster“ definiert werden, die beliebigen Inhalt anzeigen können. Demonstriert hat Tromey das anhand eines Cowsay, das den aktuellen Wert einer Variable ausgegeben hat. Diese Konstellation hat auf jeden Fall Potenzial, man stelle sich nur ein Fenster vor, dass bei jedem Step mit Hilfe von Pipelines den Inhalt einer Liste anzeigt. Tromey ruft auch explizit dazu auf, eigene Erweiterungen zu veröffentlichen.

Sonstiges

Thorsten Leemhuis von der c't hat einen Rückblick auf die letzten 20 Jahre der Kernel-Entwicklung gewagt, wobei der Schwerpunkt weniger auf den Inhalten als auf der Methodik lag. Wer seine Talks kennt, weiß dass diese sowohl interessant als auch unterhaltsam sind; dieser hat keine Ausnahme von der Regel gemacht.

Merlijn Wajer und Bart Ribbers haben einen Überblick über den aktuellen Stand von GNU/Linux auf Smartphones sowie eine Einführung in postmarketOS gegeben. Es wurde deutlich, dass sich die Situation stetig verbessert, aber auch, dass es noch ein weiter Weg ist. Selbst mit den in Kürze erscheinenden PinePhone und Librem 5 wird sich daran nur wenig ändern, da sie wohl kaum den Massenmarkt erreichen werden. Deutlich wurde zudem, dass sich die Community mal wieder diversifiziert bevor auch nur messbare Marktanteile gewonnen werden konnten; mit allen Konsequenzen.

Drew DeVault hat einen kurzen Einblick in seine Pläne für das kommende Jahr für sowohl Sourcehut als auch aerc gegeben. Während der E-Mail-Client aerc meiner Meinung nach noch eine ganze Weile braucht, bis er für den Produktiveinsatz geeignet ist, sehe ich in Sourcehut eine echte Alternative für self-hosted Kollaborationssoftware à la Gitlab – privat aber auch professionell.

Kurz vor dem Ende der diesjährigen FOSDEM hat sich dann Jon „maddog“ Hall wieder mal die Ehre gegeben und seinen ganz persönlichen Rückblick auf die letzten zwanzig Jahre gewagt – sowie einen Ausblick auf die Zukunft. Wie immer ein wirklich lohnenswerter Vortrag, der die ganze Veranstaltung gebührend abgerundet hat.

Stände

Neben all den Vorträgen gab es natürlich auch wieder jede Menge Stände. Teilweise groß und geschäftsmäßig organisiert wie die von Debian, Automotive Grade Linux oder GNOME, teilweise klein und hands-on wie die von Coreboot oder Free Culture Podcasts. Mir persönlich gefallen die kleinen besser, weswegen ich gern Zeit in Haus AW verbringe, aber auch an den großen Tischen in Haus K konnte ich dieses Jahr wieder das ein oder andere nette Gespräch führen – unter anderem mit den Jungs von Teckids e. V. Meine persönlichen Stand-Highlights waren in diesem Jahr das PINEBOOK Pro von PINE64 und die bangle.js von Espruino, die beide ausprobiert werden konnten.

Fazit

Die FOSDEM war auch in diesem Jahr wieder eine Reise wert. Natürlich gab es viel mehr Vorträge als die hier vorgestellten, aber ich bin selbst noch in der Phase des Nachholens. Überschneidungen und die Masse an Besuchern machen es leider immer unmöglich, alle Talks vor Ort zu hören. Zum Glück gibt es aber auf der FOSDEM-Seite alle Vorträge in offenen Formaten zum Nachhören und -sehen.

Was sich nur schwerlich durch Mitschnitte, Schedules und Zusammenfassungen wie diese hier einfangen lässt, ist die Stimmung, die auf der FOSDEM herrscht. Ich würde sie nicht unbedingt als herzlich beschreiben – es handelt sich schließlich immer noch um eine IT-Konferenz – aber es ist schon etwas Besonderes, wenn so viele Menschen aufgrund eines Themas zusammenkommen, für das sie sonst oft nur belächelt werden. Auf jeden Fall freue ich mich jetzt schon auf nächstes Jahr, wenn es wieder heißt: „Auf nach Brüssel!“

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